Zur  Finissage der Ausstellung Heritage at Risk am 29. August ist folgendes Programm geplant:

17.30 – 18.00 Uhr: Führung durch die Ausstellung mit dem Künstler Márcio Carvalho.

18.00 – 18.45 Uhr: Gespräch zwischen Margarida Calafate Ribeiro und Márcio Carvalho zum Thema Noisy Debates: Portugal, colonial past, and the future – which heritage is really at risk? Erörtert werden sollen Fragen, die sich aus dem komplexen Thema des Erbes unterschiedlicher Herkunft ergeben. Moderiert wird das Gespräch von Patrícia Barreto, Leiterin des Camões Berlim. Das Gespräch findet in englischer Sprache statt.

18.45 – 19.30 Uhr: Umtrunk.

Márcio de Carvalho ist ein portugiesischer visueller Künstler, Performer und Kurator, der in Lissabon und Berlin lebt. Seine Wurzeln gehen bis nach Angola zurück, zu einer multiethnischen und multikulturellen Familie aus kolonialen Zeiten. Ausgehend von dieser fremden, aber innigen Erfahrung, vermittelt durch überlieferte Geschichten, Bildern und Mythen, und vom Gegenwartsbezug geprägt, hinterfragt Márcio de Carvalho in seinem mannigfaltigen Werk die Spuren der Vergangenheit in unserer europäischen Gegenwart. Heritage at Risk ist gleichzeitig eine künstlerische Hinterfragung dieses Familienerbes, das im portugiesischen öffentlichen Gedächtnis projiziert und verewigt wurde, beginnend mit der portugiesischen Weltausstellung von 1940, einem der Momente, in denen die gesamte imperiale und nationale Szenografie eine zeitgenössische Dynamik erhielt und populär wurde. Paradoxerweise bedeutete diese Ausstellung auf der einen Seite die Anerkennung des Diktators Salazar, die mit der eigenen Isolierung und der seines Reiches einherging, während sie gleichzeitig Portugal an die Zeit der großen europäischen Kolonialausstellungen heranführte.

Wie lässt sich dieses portugiesische und europäische Moment in postkolonialen Zeiten betrachten? Und wie setzen wir es in Beziehung zu anderen Ereignissen, die sich ebenfalls in Berlin abgespielt haben?

Wie gehen wir mit diesem Erbe um, das im öffentlichen Raum präsent ist (Statuen, Gärten, Toponymie, Gebäude) und das aufgrund der Ausgrenzung und Subalternisierung eines Teils der portugiesischen Gemeinschaft und der Menschheit potenziell verletzend ist?

Sind die Überreste dieses kolonialen Erbes – Statuen, Gärten, Toponymie, Gebäude – das Archiv, das sich der institutionellen Kontrolle entzieht, das eine Vergangenheit des Ausschlusses und der Subalternisierung eines Teils der portugiesischen Gemeinschaft und der Menschheit belegt, und eine Gelegenheit für die Zivilgesellschaft, ihre koloniale Vergangenheit zu entmystifizieren und zu entmythologisieren?

Wie kann sie umbenannt, aufgearbeitet und gewürdigt werden? Kann die Kunst bei diesem Prozess helfen, so wie sie es im Nachkriegsdeutschland mit der Herausforderung getan hat, Holocaust-Gedenkstätten zu schaffen?

Ist Restitution möglich? Worüber sprechen wir, wenn wir von Restitution sprechen?

Ist es möglich, eine Kontextualisierung vorzunehmen? Was bedeutet es, die Spuren des Kolonialismus im öffentlichen Raum zu kontextualisieren?

Wie können wir einen horizontalen Nord-Süd-Dialog fördern?

Das Projekt Heritage at Risk, das in Portugal seinen Anfang nahm, ist Teil einer Bewegung, die den öffentlichen Raum neu befragt und eine Möglichkeit für die Zukunft mitgestaltet, in einer Zeit, in der wir Zeugen einer Globalisierung der Beziehung zwischen der Erinnerung an die Vergangenheit und der Forderung nach Gerechtigkeit in der Gegenwart sind. Mit anderen Worten, eine Zeit, in der wir als Bürger aufgefordert sind, uns mit den Ursachen von Diskriminierung, Subalternisierung, Enteignung und Leid in der Vergangenheit zu befassen und Mechanismen zu schaffen, damit dies in der Gegenwart nicht zum Tragen kommt und sich in der Zukunft nicht wiederholt.

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Margarida Calafate Ribeiro ist koordinierende Wissenschaftlerin am Centro de Estudos Sociais (Zentrum für Sozialstudien) der Universität Coimbra. Seit ihrer Promotion am King’s College, University of London, widmet sie sich der Erforschung des portugiesischen Kolonialismus und seiner Spuren in der postkolonialen europäischen Gegenwart. Von 2026 bis 2021 koordinierte sie das vom Europäischen Forschungsrat geförderte Projekt „Memoirs: Filhos de Império e Pós-memórias Europeias „, welches das europäische Kolonialerbe in den nachfolgenden Generationen und seine künstlerischen Darstellungen analysiert, insbesondere in Portugal, Frankreich und Belgien, wo die Erinnerungen an Angola, Mosambik, Guinea-Bissau, Kap Verde, S. Tomé und Príncipe, Algerien und Kongo nachhallen. Wem gehört dieses Erbe? Eine internationale Ausstellung, „Europa Oxalá“, war der visuelle Ausdruck besagten Projektes, kuratiert von António Pinto Ribeiro, Aimé Mpane und Katia Kameli, die in Portugal (Calouste Gulbenkian Stiftung), Frankreich (MUCEM, Marseille) und Belgien (AfricaMuseum, Tervuren) mit 23 Künstlern präsentiert wurde, deren biografisch motivierte Werke sich mit dem europäischen Kolonialerbe auseinandersetzen.