Ein fast zwanzigjähriges Exil in Belgien geht für Maria Gabriela Llansol erst lange nach der Nelkenrevolution in Portugal zu Ende. Was als Flucht vor dem Militär begann, als Flucht vor der Einberufung zu den Kolonialkriegen in Afrika, als Wehrdienstverweigerung ihres Mannes, Augusto Joaquim, dem sie nach Belgien folgte, wurde dort zu einer dauerhaften Suche nach einem alternativen Leben und Schreiben. Zunächst in Löwen, im flämischen Brabant, dann in Jodoigne, einer wallonischen Gemeinde, schließlich in einem Dorf in der Nähe Jodoignes, in Herbais.

Das Tagebuch aus dem Exil, das im März 1979 mit einer Eintragung in Jodoigne beginnt und in Herbais im September 1983, kurz vor der Rückkehr nach Lissabon im darauffolgenden Jahr, endet, enthält sowohl die Arbeit an einem Lebensprojekt, die Entstehungsgeschichte von „Lissabon­leipzig“, als auch Traumhaftes und Alltägliches: das Leben ohne Hierarchien mit Pflanzen und Tieren in einer von Menschen dünn besiedelten Gegend. Llansols Faszination für die „Rebellen“ Mitteleuropas, für Thomas Müntzer und die Wiedertäufer in Münster kommt zur Sprache, ihre Vertrautheit mit mittelalterlicher Mystik wird spürbar, ihr Interesse an der Johannes vom Kreuz und Ana de Peñalosa, ihre „Entdeckung“ der Beginen. Vor allem aber wird der Entwurf zweier „Figuren“ miterlebbar, der dem Schreiben von „Lissabonleipzig“ vorausgeht: die Figur von Jo­hann Sebastian Bach und die Figur von Aossê, eine Umkehrung des Namens von Fernando Pessoa (PESSOA – AOSSEP), um ihn von einem Klischeebild zu befreien, das dem Dichter der Hetero­nyme bereits in den 1980er Jahren anhaftete.

Hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach Bleiben in der selbstgewählten belgischen Ein­öde und dem Wunsch nach Gemeinschaft, nach Rückkehr auch an den Atlantik, entsteht Llansols Tagebuch „Ein Falke in der Faust“. Ein zuweilen aphoristisches Werk mit frappierenden Ansichten zu Literatur und Leben.

Quelle: Leipziger Literaturverlag

Übersetzung: Markus Sahr, Ilse Pollack

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