Literatur ist für Gonçalo M. Tavares mit der Idee eines offenen Raums verbunden, der Bewegung, Spiel und Erkenntnis ermöglicht. So hat der Autor ein ganzes Viertel erschaffen und dieses mit illustren Herrschaften bevölkert; wir stoßen auf Namen wie Brecht, Breton, Calvino oder Eliot. Jeder von ihnen ist Bewohner eines eigenen kleinen Buches. Tavares selbst bezeichnet das Ensemble als »ein Asterix’sches Dorf: ein Ort, an dem man versucht, dem Eintritt der Barbarei zu widerstehen«. Nur einer der Herren entzieht sich der Nachbarschaft: Herr Walser lebt abseits, im Wald. Diese höchst vergnüglichen Bände sind kleine Hommagen, die die Sprache des jeweiligen Schriftstellers und seine spezifische Sicht auf die Welt aufnehmen und mit alltäglichen Problemen kollidieren lassen.

Herr Henri ist ein Redner. Er hat zwei große Lieben: Absinth und Enzyklopädien. Solange das Absinth-Trinken anhält, schwadroniert er über die verschiedensten enzyklopädischen Themen. Seine Mitteilungen scheinen die Gesprächspartner nicht zu interessieren, doch das ist kein ausreichender Grund für Herrn Henri, den Mund zu halten. Mit zunehmender Dauer entfaltet der Absinth seine Wirkung.

»Herr Henri sagte: Wenn einer Absinth mit der Wirklichkeit mischt, kommt eine bessere Wirklichkeit dabei heraus … Aber sicher ist auch, dass, wenn jemand Absinth mit der Wirklichkeit mischt, der Absinth schlechter wird … Früh schon habe ich die wichtigsten Entscheidungen getroffen, die es im Leben zu treffen gilt – sagte Herr Henri … Ich habe nie den Absinth mit Wirklichkeit vermischt, um die Qualität des Absinths nicht zu mindern.«

Gleichzeitig mit »Herr Henri und die Enzyklopädie« erscheinen im Frühjahr 2020 »Herr Valéry und die Logik« sowie »Herr Brecht und der Erfolg«. Die Edition Korrespondenzen wird den Bummel durch »Das Viertel« von Gonçalo M. Tavares fortsetzen und in jedem der kommenden Halbjahre einen weiteren Band aus dem zehnteiligen Zyklus präsentieren.

Quelle: Edition Korrespondenzen

Übersetzung: Michael Kegler